Habitus:
Bei Tieren der Unterfamilie Harpactirinae handelt es sich um kleine bis mittelgroße Arten. Pterinochilus murinus, eine der größten Vertreter der Unterfamilie, erreicht im weiblichen Geschlecht eine Körperlänge von etwas mehr als 6 cm, Männchen werden bis knapp über 5 cm groß.
Andere Vertretter der Unterfamilie erreichen diese Ausmaße nur äusserst selten. In den Gattungen Harpactirella und Trichognathella sind die kleinsten Arten der Unterfamilie zu finden. Sie erreichen zum Teil nur eine Körperlänge von einigen wenigen Zentimentern. Die Männchen der Gattungen Augacephalus und Eucratoscelus sind sehr klein, teilweise erreichen sie nur eine Körperlänge von (z.B. bei A. junodi) ca. 1,5 cm. Im Vergleich erreicht ein ausgewachsenes Weibchen eine Körperlänge bis zu 6 cm.
Ein sehr interessanter Punkt bei Arten der Gattung Pterinochilus teilweise eine unheimlich große Farbvielfalt besteht. P. murinus variiert z.B. je nach Herkunftsgebiet von hellem Beige, dunklem Grau über Orange bis hin zu Feuerrot. Gerade die weite Verbreitung und die große farbliche Varianz haben es den Systematikern in der Vergangenheit sehr schwer gemacht, zumal zu Zeiten der Erstbeschreibungen eher ungeeignete Merkmale, wie z.B. die Färbung, noch als entscheidender erachtet wurden als heutzutage. Untersuchungen und Abbildungen der Genitalmorphologie, heute selbstverständlich, wurden zu dieser Zeit selten vorgenommen.
Auch andere Arten der Gattung Pterinochilus weisen verschiedene Farbvarianten auf. Die Färbung der im Hobby etwas unbekannteren P. chordatus variiert von hellem Beige mit dem typischen Grätenmuster auf dem Abdomen und einem mit radialen Streifen überzogener Carapax bis zu einem tief Schwarz komplett ohne Zeichnung.
Man sieht, dass die Gattung Pterinochilus im Gegensatz zu anderen Gattungen eine sehr hohe Variabilität der Farbe aufweist. Eventuell ist die Varianz der Färbung, nicht zu verwechseln mit Zeichnung, im allgemeinen bei der Unterfamilie Harpactirinae sehr hoch. Hierzu müsste man aber genauere Feldstudien durchführen.
Gerade diese Vielfalt macht es unter anderem interessant sich mit dieser Unterfamilie zu beschäftigen, allerdings dem ungeübten Auge auch schwer die verschiedenen Arten auseinander zu halten. Häufig werden z. B. P. lugardi als "graue" P. murinus verkauft.
Seit kurzer Zeit wird zudem eine sehr helle P. chordatus Variante angeboten. Diese wurde oft als P. lugardi oder P. murinus bezeichnet. Ebenso wird auf Börsen oder in Anzeigen regelmäßig P. vorax angeboten, jedoch ist uns bisher noch keine einzige "echte" P. vorax unter die Augen gekommen. Meist stellten sich diese Tiere als P. murinus oder P. lugardi heraus.
Haltung:
Im Allgemeinen sind Harpactirinae spp. bodenbewohnende Vogelspinnen, welche eine Röhre graben oder annehmen und sich überwiegend darin aufhalten. Für die Terrarienhaltung ist somit ein Behältnis zu wählen, welches eine Substrathöhe von mindestens 10-15 cm zulässt. Bei älteren Tieren ist es unter umständen angebracht eine Röhre vorzustechen, da diese oftmals gar nicht oder erst nach einiger Eingewöhnungszeit anfangen selbstständig eine Unterkunft zu graben.
Tiere der Unterfamilie Harpactirinae benötigen ein eher trockenes Klima. Es ist absolut ausreichend wenn man das Gespinst bzw. Substrat alle 2-4 Wochen mit einem Zerstäuber oder einer Gießkanne leicht anfeuchtet. Wahlweise kann auch ein Trinknapf im Terrarium/Box untergebracht werden, welcher jedoch nach kurzer Zeit von Gespinst bedeckt sein dürfte. Eine durchschnittliche Tagestemperatur von 25-28°C hat sich als günstigst für die Entwicklung der Tiere herausgestellt (REICHLING, et al. 1998).
Die am häufigsten in Terrarien anzutreffende Harpactirinae, P. murinus, ist eine sehr opportunistische, sehr einfach zu haltende Vogelspinne. Sie nimmt nahezu jede Versteckmöglichkeit an. Besonders P. murinus RCF siedelt sich häufig in mittlerer Höhe an; entsprechende Einrichtungsgegenstände vorrausgesetzt. Es wurde auch von Tieren berichtet, die den Boden dauerhaft mieden (SCHIEJOK, 2001). Auch in der Natur scheinen die Tiere verschiedene Habitate zu besiedeln (FREYVOGEL, et al. 1968 und GALLON, 2002) was die Haltung im Terrarium natürlich erleichtert.
Dennoch ist P. murinus als eine röhrenbewohnende Art anzusehen und bei Bereitstellung einer im Boden versenkten Korkröhre wird diese nach unten hin erweitert und ausgesponnen. Mit der Zeit kleidet P. murinus oft das ganze Behältnis mit dichter Spinnseide aus.
Ceratogyurs spp. und Eucratoscelus spp. (im speziellen E. pachypus) sind hier weniger wählerisch und bevorzugen eindeutig eine boden- bzw. röhrenbewohnende Lebensweise. Das Terrarium sollte entsprechend eingerichtet werden. Trotzdem sind sie regelmäßig an der Oberfläche zu sehen. Im Gegensatz dazu ist es unter Umständen nicht ungewöhnlich wenn (z.B. Pterinochilus lugardi) ein Tier für einige Wochen bis sogar Monaten nicht zu sehen ist.
Die Öffnung der Röhre wird normalerweise während dieser Zeit zugesponnen und mit Substrat getarnt. Selbst hungrige Tiere kann man meist nur nachts außerhalb des Unterschlupfs beobachten. Ähnlich verhält es sich mit den meisten Arten der Unterfamilie.
Verhalten:
Bei Tieren der Unterfamilie Harpactirinae handelt es sich um aggressive und äußerst schreckhafte Vogelspinnen, die man auf keinen Fall mit der Hand berühren sollte. Insbesondere Tiere, die ihrem Unterschlupf entnommen wurden, richten sich schon bei kleinster Störung auf, drohen und schlagen mit den Vorderbeinen nach dem Gegner. Werden die Tiere weiter belästigt, stridulieren sie ziemlich deutlich und beißen recht schnell in die Luft, den Boden oder in Gegenstände, die ihnen entgegen gehalten werden. Im Übrigen versuchen die Tiere zuerst in ihren Unterschlupf zu flüchten, erst in die Ecke gedrängt, versuchen sie sich aggressiv zu verteidigen.
Weiterhin handelt es sich speziell bei P. murinus um eine relativ schnelle Art, die, auf der Flucht, ähnlich wie auch viele südamerikanische Baumbewohner, auch kurze Sprünge vollführen kann. Die Tiere sind somit Anfängern nicht zu empfehlen. Erst wer etwas Erfahrung im Umgang mit Vogelspinnen hat, sollte sich, bei Interesse, die hier vorgestellten Arten zulegen.
Toxikologie:
Das Gift von Pterinochilus spp. hat auf Wirbeltiere eine stärkere Wirkung als das der meisten Vogelspinnen Amerikas. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Tiere der Unterfamilie eine ähnlich starke Giftwirkung besitzen. Allgemein scheinen starke Schmerzen entlang des ganzen Armes der gebissenen Hand aufzutreten. Von weiteren Folgen wird auch berichtet, allerdings scheint es sich bei diesen um einen individuellen Verlauf zu handeln (KNARR, 1997).
Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die beim Biss abgegebene Giftmenge nicht konstant ist, wobei eher davon auszugehen ist, dass nur wenig Gift für die Verteidigung verschwendet wird. Ausnahme ist hier die Gattung Harpactirella; eine äußerst starke Giftwirkung ist von H. lightfooti wie auch H. flavipilosa berichtet (KUNZE, 1996).
Die genaue Zusammensetzung des Neurotoxin ist noch unbekannt. Man weiss jedoch, dass es auf das zentrale und periphere Nervensystem wirkt. Symptome sind unter anderem: brennende Schmerzen um die Bißstelle, wiederholtes Erbrechen wie auch Schockzeichen, Blässe und Kreislaufkollaps (SCHMIDT, 1993).
Zucht:
Bisher wird nur Pterinochilus murinus (meist RCF), Ceratogyrus darlingi und C. bechuanicus regelmäßig nachgezogen. Nachzuchten von Pterinochilus lugardi, P. chordatus, Eucratoscelus pachypus (hier ist bisher nur eine erfolgreiche Terrariennachzucht bekannt (GALLON, 2004)), Ceratogyrus marshalli, C. sanderi, C. brachycephalus und C. meridionalis sind sehr selten. Nachzuchten der nichtgeannten Gattungen sind bisher nicht bekannt.
Adulte Weibchen sind nur von den Gattungen Pterinochilus, Ceratogyrus und Eucratoscelus regelmässig erhältlich, in den meisten Fällen dürfe es sich um Wildfänge handeln. Alle anderen Gattungen der Unterfamilie sind praktisch nicht im Handel erhältlich.
Die Zucht von Pterinochilus spp. und Ceratogyrus spp. ist nicht sonderlich schwierig. Man gibt das Männchen langsam in das Behältnis des Weibchens. Nach Kontakt mit dem Gespinst des Weibchens beginnt es meist sofort mit der Werbung, ein aufgeregtes Zittern des ganzen Körpers und gelegentliches Trommeln der Taster. Schon nach kurzer Zeit kommt es dann zur Kopulation bei welcher das Männchen mit Hilfe seiner Schienbeinhaken das Weibchen hochstemmt und ruhig, abwechselnd oder gleichzeitig, seine Bulben in die Epigastralfurche des Weibchens einführt. Dieser Vorgang wird erfahrungsgemäss einige Male wiederholt.
Nach erfolgreicher Kopulation bleibt das Weibchen oft noch einige Minuten in Kopulierstellung und gibt dem Männchen die Möglichkeit sich zu entfernen. Nach der Paarung beginnen beide Geschlechter sich ausgiebig zu putzen. Dieses Paarungsverhalten ist ganz typisch für Tiere der Unterfamilie Harpactirinae.
Ein aggressives Verhalten dem Männchen gegenüber wurde äußerst selten beobachtet. Es ist durchaus möglich das Männchen noch einige Tage im Terrarium des Weibchens zu belassen. Ein zu klein geratenes Männchen wurde vom Weibchen komplett ignoriert und lag nach einiger Zeit tot aber unversehrt im Terrarium.
Nach etwa 2-4 Monaten wird der Kokon gebaut. Während dieser Zeit sollte dem Weibchen evtl. öfters Wasser angeboten werden, da die Eiablage einen Prozess darstellt, während dem viel Feuchtigkeit verloren geht.
Im Gegensatz zu den meisten Vogelspinnen ist der Kokon bei den Harpactirinae nicht kugelförmig und beweglich sondern fest fixiert und wird nicht vom Weibchen umhergetragen oder gewendet. Bis zum Schlupf der Larven wird der Kokon vom Weibchen aufmerksam bewacht und verteidigt. Während dieser Zeit kann weiterhin Futter gereicht werden, so dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass das Weibchen einen zweiten Kokon baut.
RAAB konnte bei Eucratoscelus pachypus beobachten, dass der Kokon direkt am Eingang der Wohnröhre gebaut und nicht aktiv bewacht wurde. Das Weibchen hielt sich meist kopfüber in ihrer Wohnröhre auf. Weiterhin wurde ein ähnliches Verhalten von einer Harpactira spp. (vermutlich H. guttata) aus Südafrika berichtet (J.P. SAMADI, pers. Mitteilung). Diese hatte am Eingang den Kokon zwischen den Wänden eingezogen und sich hinter dem Kokon, geschützt in ihrem Bau, aufgehalten.
Nach knapp 2 Monaten schlüpfen die Larven, diese häuten sich nach wenigen weiteren Wochen zu Nymphen. In dieser Zeit lässt sich eine verstärkte Spinntätigkeit des Muttertieres feststellen. Die Nymphen halten sich anfangs noch im Gespinst der Mutter auf, verteilen sich aber nach wenigen Tagen.
Die Nymphen sind im Vergleich zu anderen Vogelspinnen bei von mittlerer Größe, bei P. murinus ist das erste Stadium schon über 0,5 cm groß. Kleine Heimchen oder Schaben werden problemlos überwältigt. Tiere aus dem gleichen Kokon werden ebenfalls nicht verschont, wenn man die Tiere zu lange zusammenhält. Auch Futtertiere, die etwas größer als die Spiderlinge sind, werden meist attackiert und nicht selten gefressen. Die Ausnahme macht hier P. lugardi, deren Spiderlinge sind im Verhältnis zu P. murinus oder P. chordatus sehr klein und benötigen unter Umständen Mikroheimchen.
Nymphen der Gattung Harpactira sind mit unter doppelt bis dreimal so groß wie Nymphen von Pterinochilus spp. (pers. Beobachtung). In der Regel wachsen die Tiere relativ schnell und machen angenehme Wachstumsschübe. Die Männchen erreichen je nach Aufzuchtbedingungen nach ca. 2 Jahren die Geschlechtsreife. Die Weibchen benötigen meist die gleiche Zeit, so dass sich Geschwistertiere problemlos verpaaren lassen. Selbst optisch recht kleine Weibchen können verpaart werden und bauen einen entsprechend kleineren Kokon.
Als Faustregel kann man sagen, dass man Weibchen als geschlechtsreif betrachten und verpaaren kann, wenn deren Carapax so groß ist, wie der eines adulten Männchen. Die Lebenserwartung beträgt für Weibchen, abhängig von diversen äußeren Bedingungen, um 10 Jahre.